Jedes Jahr gibt es Dutzende Brände in Recycling-Anlagen. Häufige Ursache: Lithium-Ionen-Akkus, die falsch entsorgt wurden. Den meisten Konsumenten dürfte die Gefahr kaum bewusst sein. Dabei droht die Situation nur schlimmer zu werden.Es brennt in Deutschlands Entsorgungsanlagen. Und das wörtlich: Wieder und wieder kommt es in Recycling-Anlagen, Wertstoffhöfen und Mülltonnen zu Bränden. Mal sind es nur kleine Feuer, mal Großbrände mit abgebrannten Gebäuden und Verletzten. Und immer häufiger ist die Ursache eine Spontanentladung eines Lithium-Ionen-Akkus. Das Hauptproblem sind unsachgemäß entsorgte Elektrogeräte mit Akku. „Es passiert ja auch erstmal nichts“, erklärt Bernhard Schodrowski vom Entsorgungs-Bundesverband BDE. „Doch dann kommt der Müllwagen auf dem Wertstoffhof an, ein Greifer sortiert das Material – und auf einmal gibt es mitten im Müllberg eine Stichflamme.“ Auch durch Erschütterungen beim Transport oder bestehende Beschädigungen der Akkus könnten Brände entstehen. „In Müllwagen ist das auch schon passiert. Da fahren die Jungs und plötzlich brennt es im Laderaum.“PAID Alles zum E-Bike Kauf 13.50Spontanentladung im WertstoffhofDie größte Gefahr geht von ungeschützten Akkus aus. „Solange die Akkus korrekt in den Geräten verbaut sind, kommt es sehr selten zu den spontanen Entladungen“, erläutert Kerstin Kuchta, Professorin am Institut für Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft der Uni Hamburg. „Feuer sind aus der Aufbereitung bekannt, wenn sie aus den Geräten entfernt wurden. Wenn dabei die für mehrere Tage Laufzeit gedachte Energie in einer Sekunde austritt, kann dann eine solche Hitze entstehen, dass es zu Feuern kommt.“Das passiert deutlich häufiger, als der Öffentlichkeit bewusst sein dürfte. „Es sind Dutzende Fälle jedes Jahr“, so Schodrowski. „Im Schnitt kommt es jede Woche zu einem Brandfall. Die Feuer fallen aber unterschiedlich schwer aus.“ Eine unvollständige Liste des Umweltbundesamtes zeigt das ebenfalls. Die Fälle sind auf das ganze Bundesgebiet verteilt, reichen von Qualm in einem Müllfahrzeug bis zu komplett niedergebrannten Wertstoffhallen, etwa in Aachen 2018.“Es ist ein Wunder, dass noch keiner zu Tode kam.““Durch ungesicherte Akkus entsteht eine sehr reale Gefahr für unsere Mitarbeiter und die Anlagen. Durch die Brände können schwere Verletzungen und Millionenschäden entstehen“, erklärte auch der Entsorger Alba auf Anfrage des stern. Im März 2019 hatte ein Transportband in einem Alba-Standort in Walldürn vermutlich wegen eines defekten Akkus Feuer gefangen. Fünf Mitarbeiter erlitten Rauchvergiftungen, ein Feuerwehrmann verletzte sich bei den Löscharbeiten leicht. Kein Einzelfall, betont Schodrowski: „Es gab auch schon ernsthaft Verletzte. Es ist ein Wunder, dass noch keiner zu Tode kam.“Die Mehrheit der Feuer sind zum Glück weniger dramatisch. „Nach unserer Kenntnis sind die häufigsten Brände eher lokal begrenzt, etwa ein Abfallhaufen oder Transportband. Meist kann das durch hauseigene Systeme gelöscht werden“, erklärte das Umweltbundesamt auf Nachfrage des stern. „Es sind aber leider auch schon Brandfälle aufgetreten, die für die Anlagenbetreiber zu einer Betriebsuntersagung bis hin zur Insolvenz geführt haben.“ Gefährliche EnergieDie Feuergefahr entsteht durch die Bauweise der Akkus selbst. „Lithiumhaltige Batterien können aufgrund ihrer Bauart und chemischen Zusammensetzung bei Beschädigung ihren Energieinhalt im Havariefall innerhalb kürzester Zeit freisetzen. Das kann erhebliche Folgeschäden verursachen, etwa einen Brand“, so das Umweltbundesamt. „Das hohe chemische Reaktionspotenzial liegt zum einen am metallischen Lithium, das sehr reaktionsfreudig ist. Zum anderen hat die enthaltende Elektrolytmischung einen hohen Brennwert.“Die Brandgefahr steigt auch deshalb, weil seit einigen Jahren immer mehr Geräte mit Akkus laufen – und die immer größer werden. „Je größer die Akkus sind oder je höher die Energiedichte ist, desto größer ist die Feuergefahr. Wenn ein einzelner Smartphone–Akku sich entzündet, ist das meist selbst dann kein großes Problem, wenn er sich in einem Müllgemisch befindet.So ein Feuer kann einfach gelöscht werden“, erläutert Kuchta. „Bei den modernen E-Bike-Akkus sieht das aber schon ganz anders aus. Durch die höhere Energiedichte steigt auch die Feuergefahr bei einer Spontanentladung.“Auch Schodrowski sieht die Zunahme der Gefahr größere Akkus. „Die E-Scooter können uns noch eine Menge Ärger machen. Die sind ja ruckzuck Elektro-Schrott“, klagt er. Vielen Menschen sei auch im Alltag gar nicht bewusst, dass etwa ein heruntergefallener Akku-Staubsauger durchaus ein Risiko sein kann. „Die Menschen müssen sich bewusst machen, was sie da haben und welche Gefahr davon ausgeht. Man muss bei den Geräten eine gesunde Vorsicht mitbringen, sie nicht aus Versehen beschädigen – und natürlich auch korrekt entsorgen.“Müllverbrennungsanlage 21.00Wertstoffhof statt HausmüllBei Akku-Geräten heißt das, die Akkus lieber im Gerät zu lassen. Müssen ausgebaute Akkus entsorgt werden, sollte man die Enden abkleben, um mögliche Kontaktpunkte zu versiegeln. Zudem sollten sie natürlich nicht im Hausmüll oder gar dem gelben Sack landen, sondern beim Elektro-Container oder beim Wertstoffhof abgegeben werden. Große Akkus wie die von Fahrrädern oder Austausch-Akkus, die ausgebaut wurden, sollten sogar unbedingt an Wertstoffhöfen abgegeben werden. Alternativ nehmen auch Fachhändlern sie zurück.Noch passiere das aber zu selten, glaubt Schodrowski. „Wir müssen unbedingt eine Lösung für dieses Problem finden. Ein Vorschlag ist etwa eine Pfandpflicht für Akkus. Wenn man 50 Euro Pfand pro Batterie zahlen muss, bringt man sie auch an die korrekte Stelle“, ist er sich sicher. „Wir wollen ja mit Absicht eine spürbare Wirkung erzielen. Es muss weh tun, bei der Entsorgung auf das Pfand zu verzichten“, erklärte auch schon BDE-Chef Peter Kurth gegenüber der „Welt am Sonntag“.Bei der Rücknahme der Akkus gehe es aber nicht nur um die Brandgefahr – sondern auch um die wertvollen Rohstoffe in den Altakkus. „Wir brauchen diese Rohstoffe im Material-Kreislauf.“ Das sieht auch Kuchta so. „In Batterien sind viele wertvolle Metalle drin, das wir aufbereiten können. Das ist ein echter Schatz und den sollte man auch nutzen“, ist die Professorin überzeugt. „Den Leuten ist eigentlich bewusst genug, dass solche Wertstoffe nicht in den Müll gehören. Sie halten sich nicht immer daran, aber das liegt nicht am fehlenden Wissen.“Zu einer geringeren Brandgefahr kann eine vermehrte Rückgabe durch die Konsumenten aber wohl nur einen Teil beitragen. „Die Mitarbeitenden in den Aufbereitungs-Anlagen sind speziell geschult“, erläutert Kuchta die immer bleibende Restgefahr. „Aber dort kommen extrem große Mengen an Geräten an. Wenn dann die Sicherheitsmaßnahme nur bei einem falschen Gerät versäumt wird, ein Akku falsch abgeklebt wird oder ein Gerät so kaputt ist, dass der Akku nicht getrennt werden kann, kann es eben schon zum Brand kommen. Da wird schon ein kleiner Fehler schnell hart bestraft.Quelle: Recherche, Welt am SonntagLesen Sie auch:14 simple Akku-Tipps: So hält das iPhone länger durchBis zu 400 Euro: So teuer kann der Akkutausch bei Apple werdenDiese Frau lud ihr Smartphone falsch auf – und verlor deshalb 33.000 Fotos

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