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Osterinsel
:
Der Nabel der Welt

Die Osterinsel fasziniert – auch 300 Jahre nach ihrer Entdeckung am 5. April 1722. Berühmt sind vor allem die archäologischen Stätten auf der vulkanischen Insel in Polynesien.

Das Präriegras raschelt bei jedem Schritt durch die karge Landschaft. Das Auge meint in Schottland zu sein, aber der Körper weiß es besser: Er schwitzt schon bei der geringsten Bewegung. Mit ihrer subtropischen Lage hat die Osterinsel ein mildes Klima, doch die Luftfeuchtigkeit macht einem zu schaffen. Es gibt nur wenig Süßwasser, kein einziges Bächlein fließt hier. In dem porösen Vulkanboden versickert schnell jeder Niederschlag.

Die 163 Quadratkilometer große Insel besteht aus drei Vulkanen, die ihr die markante dreieckige Form verleihen. Das entspricht in etwa der Fläche von Washington DC oder Wuppertal. Die Linienmaschine aus der chilenischen Hauptstadt Santiago braucht für den Flug über den Pazifik fast fünf Stunden. Die nächsten Nachbarn im Westen leben 2200 Kilometer entfernt auf den Pitcairninseln. Rapa Nui, entferntes Land, heißt die Osterinsel bei ihren Bewohnern. Oder auch Te Pito o Te Henua – Nabel der Welt.

Abgenabelt vom Rest der Welt liegt Hanga Roa, die einzige größere Siedlung im Südwesten des Eilands mit seiner Space-Shuttle-Notfalllandebahn. In dem kleinen Dörfchen leben etwa 7000 Menschen, ihre Häuser stehen am Ortsrand, die meisten zusammengenagelt aus Pressspanplatten und Wellblech. Bis vor wenigen Jahren war kaum ein Haus höher als die Bananenstaude, heute gibt es eine kleine zweistöckige Shoppingmall, ein modernes Krankenhaus und ein Kunstrasenplatz mit Flutlicht.



 Hanga Roa ist die größte Siedlung auf der Osterinsel.


Hanga Roa ist die größte Siedlung auf der Osterinsel.
Foto: Getty Images/iStockphoto/BethWolff43

Die meisten Touristen (2019 vor der Covid-19-Pandemie waren es 125.000) kommen, um die stummen Statuen aus Stein zu sehen, die Moai. Seit März 2020 war die Isla de Pascua (so der der Name auf Spanisch), die geografisch und kulturell zu Polynesien, politisch aber zu Chile gehört, wegen der Pandemie abgeschottet. Seit Anfang Februar dieses Jahres dürfen Urlauber wieder kommen.

Die riesigen Köpfe ohne Unterleib versetzen die Menschen auf der ganzen Welt in Erstaunen, seit Jacob Roggeveen das Eiland betrat. Der niederländische Kapitän war 1722 im Auftrag der westindischen Handelsgesellschaft mit drei großen Segelschiffen unterwegs, als er am 5. April, dem Ostersonntag, Land sichtete. Er nannte es nach dem Tag der Entdeckung die Osterinsel.

Nach ihm kamen Weltumsegler, Missionare, Sklavenhändler – und Wissenschaftler wie Claudio Cristino. Seit über 30 Jahren lebt und arbeitet der Archäologe auf der Osterinsel. „Man muss sich das einmal vor Augen führen“, sagt der Chilene, „eine kleine Gruppe von Menschen war in der Lage, auf dieser Insel eine großartige Kultur zu entwickeln – inmitten des Pazifiks, im Nichts, total isoliert von der Außenwelt.“ Cristinos Forschungen haben dazu beigetragen, so manches Rätsel der Osterinsel zu lösen.

An der südöstlichen Küste, wo sich die Tongariki-Plattform befindet, steht eine Gruppe von 15 Moai. Inselbewohner haben sie mit Cristino vor Jahrzehnten wieder aufgerichtet und restauriert. Bis zu neun Meter hoch ragen die Statuen auf. Mehr als 600 sind über die ganze Insel verteilt. Der größte der Giganten wiegt rund 270 Tonnen. Zählt man auch die nicht fertiggestellten Moai hinzu, die noch im Steinbruch von Rano Raraku liegen – dort, wo sie aus dem porösen Vulkangestein gehauen wurden –, dann sind es an die 1000.

Jeder dieser Steinkolosse besteht zur Hälfte aus einem Gesicht mit tiefen Augenhöhlen, schmalem Mund, gewölbter Stirnpartie und spitzer Nase. Und alle haben einen sehr ähnlichen Gesichtsausdruck, betont Cristino: „Wenn Sie sich anschauen, wie die Statuen sich im Laufe der Zeit verändert haben, dann werden Sie einen Trend bemerken. Zuerst gab es naturalistische, menschengroße Figuren. Im Laufe der Zeit veränderten sich die Proportionen, und die Figuren bekamen länglichere Formen. Es scheint so, dass mit der Bedeutung der Moai ihre Größe stetig zunahm.“

Aufgestellt wurden die Steinköpfe an den sogenannten Ahu: offene, rechteckige Tempelanlagen, aufgeschichtet aus Geröll, zusammengehalten durch Stützmauern aus grauem Basalt. Manche Ahu sind bis zu 150 Meter breit, und das verwendete Gestein wiegt bis zu 9000 Tonnen. Insofern stellen die Tempelanlagen die Statuen bei Weitem in den Schatten. „Wir fanden fantastische Straßen entlang der Küstenlinie. Jeder heutige Straßenbauinge­nieur wird Ihnen bestätigen, dass dies außergewöhnliches Wissen voraussetzt“, sagt Cristino.

Bis heute rätseln die Wissenschaftler allerdings, was die Vorfahren der heutigen Rapanui dazu veranlasst haben mochte, die Moai umzuwerfen. Als Jacob Roggeveen die Osterinsel als erster Europäer betrat, standen die Moai noch. 50 Jahre später, als der Engländer James Cook 1774 auf seiner zweiten Südsee-Expedition Rapa Nui besuchte, lagen sie auf dem Boden.

Nahrungsknappheit durch Überbevölkerung und Umweltzerstörung lautet eine aktuelle wissenschaftliche Erklärung dafür, dass die alte Kultur der Osterinsel unterging – allerdings nicht in einem plötzlichen gesellschaftlichen Crash wie früher angenommen. Nach heutigen Schätzungen lebten auf der Insel zu ihrer Blütezeit im 16. Jahrhundert bis zu 25.000 Menschen. Wissenschaftler haben zudem nachgewiesen, dass die Insel einst von Wäldern bedeckt war. Sie wurden abgeholzt, um die Statuen zu transportieren, um Kanus und Häuser zu bauen und um die Toten zu verbrennen. Doch nicht der Mensch allein sei es gewesen, der das Land entwaldet habe. Mitschuld trage auch die Pazifische Ratte, die mitverantwortlich dafür war, dass der Wald starb, so die Experten. Es sei dieser Nager gewesen, der es damit vermutlich auch geschafft habe, dass die Rapanui eines Tages weder Kanus für die Hochseefischerei bauen noch die Moai transportieren konnten.

Heute ist das Leben auf der Osterinsel alles andere als günstig. Die 3800 Kilometer Entfernung zum südamerikanischen Festland prägen das Preis-Leistungs-Verhältnis. Seit der US-amerikanische Regisseur und Schauspieler Kevin Costner 1995 die Geschichte des verlorenen Paradieses auf die Kinoleinwand bannte, habe sich vieles verändert, sagen die Rapanui. Viele Insulaner bekamen damals kurzfristig einen gut bezahlten Job, als der Hollywoodstar auf der Insel drehte. Der Film ist nah an der Wirklichkeit erzählt, findet Archäologe Claudio Christino. Viele Insulaner seien stolz, daran mitgewirkt zu haben, aber richtig gemocht habe das Epos um Liebe und Tod hier niemand. Denn es waren neuseeländische Maoris, die in den Hauptrollen spielten. Den Rapanui blieb wie so oft in der Insel-Geschichte nur die Statistenrolle.

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