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Gozo
:
Maltas kleine Schwester

Die kleine Insel im Mittelmeer ist beseelt von sympathisch-sportlicher Rivalität – für Besucher eindrucksvoll zu erleben in der inseleigenen Fußball-Liga, einer monströsen Kirchen-Kathedrale, auf pompösen Festen und beim weltweit einmaligen Opern-Wettstreit.

Grezz Stallini kutschiert ganz entspannt Richtung gozitanischer Küste. Mitten im Gespräch über Fußball schaut der Taxifahrer fassungslos in den Rückspiegel: „In der maltesischen Liga spielen? „Nein“, sagt er, „auf keinen Fall, das macht hier fast keiner, obwohl viele drüben auf Malta arbeiten. Nach Feierabend geht’s mit der Fähre zurück und auf einen unserer Bolzplätze, wo Gozos Inselmeisterschaft ausgespielt wird – ununterbrochen seit 1937, heute in einer ersten und einer zweiten Liga.“ Kicks auf deutschem Bezirksliga-Niveau sind das, aber mit hochemotionalen Live-Übertragungen in Kneipen und Cafes – „ein Erlebnis für jeden Gozo-Besucher“, verspricht Grezz. In der ersten Liga hat er früher selbst gespielt: „Wir sind zwar nur etwa 30.000 Gozitaner, haben aber unseren Stolz: 14 Fußball-Vereine – jede Stadt, jedes Dorf jagt dem Nachbarn die Spieler ab. Da ist enorme Konkurrenz, nicht nur im Fußball. Ihr werdet es erleben…“

Vorher kurvt der Mann mit dem scheppernden Lachen auf rumpeligen, staubigen Landstraßen vorbei an sonnenverbrannten Landhäusern, deutet auf die Felder und grinst: „Unsere Haschisch-Plantagen…“ Ein Gag, der für jeden Gozitaner wie ein Ball auf dem Elfmeterpunkt liegt. Denn Haschisch, geschrieben Haxix, heißt auf maltesisch Gemüse und meint alles von A wie Auberginen bis Z wie Zwiebeln, was etwa in der fruchtbaren Senke zwischen Gozos Hauptstadt Victoria und der Küste wächst – im Masalforn-Tal. Der namensgebende Ort, den Grezz nun erreicht hat – ein ehemaliges Fischerdorf – ist zwar durch ein paar Hotels und Apartmentanlagen gepimpt, aber lange nicht so touristisch geprägt wie Malta. Hier eifert Gozo ihrer großen Schwester nicht nach. In Masalforn und Xlendi sitzt man am U-förmigen Kai auf der Restaurant-Terrasse, Boote dümpeln davor. Bei frischer Brise klatschen Wellen schon mal bis auf den Teller und holen sich das Schwertfischfilet zurück.

Nach Kreisklasse sehen Gozos Orte auf den ersten Blick aus. Aber manch einer spielt lässig Champions League. Xew­kija im Landesinneren zum Beispiel. Kaum 3000 Einwohner, ein paar Kreuzungen, eine Tanke, ein Friseur. Und diese lichtdurchflutete, weitläufige Kirche, in die alle Einwohner Xewkijas locker reinpassen. 75 Meter hoch die Kuppel, überall auf Gozo sichtbar, überspannt sie die 28 Meter breite Kirche. Damit ist die „St. Johns Rotunda“ europaweit die Nummer vier der frei tragenden Gotteshäuser – hinter Roms Petersdom, Londons St. Pauls Cathedral und – nun ja – auch Mostas Rotunda. Mosta? Ein kleiner Ort mitten auf Malta. Dessen 1865 eingeweihte Kuppelkirche wollten die Gozitaner in Xewkija übertreffen, als sie 1951 begannen, ihre – angeblich – zu klein gewordene Dorfkirche zu ersetzen. Heute ist Xewkijas XXL-Kathedrale einer der schönsten 360-Grad-Ausguck-Plätze Gozos – höher als die Konkurrenz-Kirche auf Malta, aber mit weniger Durchmesser.

Gozos Hauptstadt Victoria, 1887 so umbenannt zu Ehren der gleichnamigen britischen Königin, ist ein sandsteinfarbenes Gassengemenge mit Marktständen, gekrönt von einer Zitadelle und durchzogen von einer Verkehrs-Schlagader – der Republic Street. Hier residieren 190 Meter voneinander entfernt zwei wuchtige Opernhäuser mit säulenbewehrten Portalen: Links das „Aurora“ mit 1200 Plätzen, rechts das „Astra“ mit 1600. Beide bringen pro Jahr nur je eine Oper auf die Bühne. Im „Aurora“ mit einer einzigen Vorstellung, im „Astra“ mit deren zwei. Es sind Gozos gesellschaftliche Highlights, seit gut 40 Jahren – immer im Oktober. Beide Opernhäuser wetteifern jedes Jahr, wem die spektakulärere Inszenierung gelingt. Bis kurz vor den Aufführungen halten die Opernbühnen geheim, was überhaupt gespielt wird. „Was 1999 zu der absurden Situation führte, dass beide Verdis ‚Aida‘ einstudiert hatten“, erzählt Mathew Sultana, Manager des „Aurora“. Kurze Pause. „Wir hatten damals übrigens zwei lebende Pferde auf der Bühne, die im ‚Astra‘ nur eines“, verkündet der 32-Jährige sichtlich stolz.



 Im Teatru Astra in Gozos Hauptstadt Victoria wird jedes Jahr nur eine Oper gespielt. Der Titel bleibt bis zur Aufführung geheim.


Im Teatru Astra in Gozos Hauptstadt Victoria wird jedes Jahr nur eine Oper gespielt. Der Titel bleibt bis zur Aufführung geheim.
Foto: Stephan Brünjes

Das war einst eine enorme Verschwendung: Jedes Opernhaus habe sein eigenes Orchester gemietet, eigene Noten gekauft, Instrumente aus Sizilien eingeflogen. Weil man nicht mal miteinander geredet habe. Heute kooperieren „Aurora“ und „Astra“ bei solch kostspieligen Dingen. Aber die auf einen Streit im Jahre 1863 zurückgehende Rivalität bleibt und basiert auf zwei Vereinen mit angeschlossenen Kirchengemeinden. Das „Aurora“ – der Kathedrale der heiligen Jungfrau Maria (die Blauen) zugehörig und das „Astra“ (Basilika des Hl. St. Georg – die Roten) – sie haben die Menschen in der 7000-Einwohner-Stadt Victoria quasi unter sich aufgeteilt. Beide Opernhäuser sind zugleich schmucklose Vereinsheime, mit Theke und Billardtischen. Treffpunkte, in denen Hausfrauen, Doktoren, Lehrer und Krankenschwestern – alles Amateure also – die Opern inszenieren und aufführen. Streng getrennt: Wer bei den Blauen singt oder Kostüme näht, tut dies nicht auch bei den Roten – „da wird man reingeboren“, sagt Sultana.

An diesem Abend agiert er als eine Art Prozessions-Zeremonienmeister, dirigiert Auroras Marchingband durch die mit Lichterketten überspannten Gassen Victorias. Sie begleitet eine hölzerne Statue der Mutter Gottes, die von acht ächzenden Trägern im Gleichschritt vorangeschleppt und vor einzelnen Häusern abgesetzt wird. Jedes Mal spielt die Band kurz. Die Leute am Weg haben sich auf Balkonen und Veranden wie in Theaterlogen versammelt und bewerfen die Prozession mit Glitzer-Konfetti-Wolken. Eine typisch gozitanische Festa – heute zu Ehren der Kirche „Our Lady of Grace“. Das Kirchenportal erstrahlt dazu so grellbunt wie ein Kirmes-Karussell, dahinter knallt, zischt und erstrahlt ein mittleres Silvesterfeuerwerk. Klarer Fall – auch hier soll mal wieder mehr geboten werden als in den Konkurrenzgemeinden.

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