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Berlin. Ein kaltblütiger Mord, motiviert offenbar durch die fanatische Feindschaft gegen die Maskenpflicht und andere Corona-Schutzmaßnahmen: Die grausame Tat im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein ist die bislang schwerste Gewalttat in Deutschland, die mit der Szene der Corona-Leugner, Impf- und Maskengegner zusammenzuhängen scheint. Eine Szene, vor deren Radikalisierung Expertinnen und Experten schon seit dem Beginn der Corona-Demonstrationen im vergangenen Jahr warnen.

„Die zunehmende Radikalisierung dieser Szene ist schon lange sichtbar“, sagt Pia Lamberty dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die Psychologin ist Geschäftsführerin des unabhängigen Centers für Monitoring, Analyse und Strategie und Expertin für Verschwörungsideologien. Nicht nur die prominenten Mitglieder der „Querdenken“-Szene radikalisierten sich, sagt Lamberty, sondern auch deren Anhänger. „Dadurch ist ein Klima entstanden, in dem Gewalt immer stärker legitimiert und befürwortet wird.“

Seit anderthalb Jahren gebe es Aufrufe zu „Tribunalen“ oder zu einer Neuauflage der Nürnberger Prozesse – diesmal mit Mitgliedern der Bundesregierung und Virologinnen und Virologen auf der Anklagebank. „Dabei geht es auch um Selbstjustiz“, erklärt Pia Lamberty. „Dass es dann zu solchen Taten kommt, ist leider nicht überraschend.“

Schon seitdem die Schutzmasken zum Teil des gesellschaftlichen Alltags geworden sind, gebe es in diesem Zusammenhang auch gewalttätige Übergriffe. Tatsächlich: Die Liste der Angriffe durch Maskengegner ist lang. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Bahn beklagen etwa vermehrte körperliche Angriffe durch Fahrgäste, die sich der Maskenpflicht verweigern.

Im März dieses Jahres berichtete eine junge Mutter in der Nähe von Kassel von einem gewaltsamen Angriff auf sie und ihr Baby: Zwei junge Männer hätten erst versucht, ihr die Maske vom Gesicht zu reißen und anschließend ihren Kinderwagen umgestoßen. Eine vollständige Aufzählung derartiger Fälle aus dem vergangenen Jahr dürfte mehrere Zeitungsseiten füllen.

Corona-Leugner und Neonazis befürworten den Mord

Wie stark radikalisiert Teile der Corona-Leugner-Szene bereits sind, zeigen auch Reaktionen auf den Mord von Idar-Oberstein in der Messenger-App Telegram. In mehreren Chatgruppen und Kanälen der Szene wird die Tat nicht nur entschuldigt, sondern sogar ausdrücklich befürwortet. „Eine Zecke weniger“, kommentiert etwa ein Mitglied des Telegram-Kanals des rechtsextremen Aktivisten Sven Liebich aus Halle an der Saale die Tat.

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Idar-Oberstein: Mann nach Streit um Maskenpflicht erschossen

Ein Kassierer in einer Tankstelle wird von einem Mann erschossen, nachdem er ihn auf die Maskenpflicht hingewiesen hat.  © dpa

Der Nutzer wähnt sich in einem Bürgerkrieg: „Es herrscht Krieg für mich, da wird nicht mehr diskutiert. Weg mit 3 G oder Bürgerkrieg dafür stehe ich mit Leib und meinem Leben“, schreibt er. „Wenns die richtigen trifft hab ich nichts dagegen“, schreibt ein anderer. Ein dritter bekundet, er habe kein Mitleid: „Die Leute immer mit dem Maskenscheiß nerven. Da dreht irgendwann mal einer durch. Gut so.“ Der Berliner „Tagesspiegel“ hatte zuerst über diese Äußerungen berichtet.

Und auch ein bundesweit bekannter Neonazi rechtfertigte den Mord offenbar in seinem Telegram-Kanal: „Jeder hat seine Prinzipien“ kommentiert der Dortmunder Rechtsextremist Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt einen Medienartikel über die Tat. Dazu postet er drei achselzuckende Emojis. Der vielfach vorbestrafte Borchardt saß zeitweise für die Neonazi-Kleinstpartei „Die Rechte“ im Dortmunder Stadtrat.

Abgrenzung und schnelles Handeln der Behörden

Die Psychologin Pia Lamberty fordert eine klare Abgrenzung vom Spektrum der „Querdenker“. Eine fehlende Abgrenzung gebe es nicht nur bei der AfD. „Man erinnere sich an Armin Laschet, als ein ‚Querdenker‘ bei einem Wahlkampfauftritt auf seine Bühne stürmte. Laschet hat mit ihm gesprochen und das auch im Nachgang verteidigt“, sagt Lamberty. Statt auf einen Dialog mit Akteuren dieser sich weiter radikalisierenden Szene müsse auf eine klare Kante gesetzt werden.

Zudem brauche es eine konsequente Strafverfolgung. „Attila Hildmann ist das beste Beispiel für ein Versagen der Behörden“, meint Lamberty. „Ein offener Antisemit, der körperliche Gewalt befürwortet und befeuert, kann seine Hetze verbreiten, und die Polizei greift viel zu langsam ein.“ Wenn Behörden nicht rechtzeitig eingriffen, sei die „Konsequenz leider Gewalt – und im schlimmsten Fall auch Mord“.

Vor einem Jahr hätte man Gewalttaten von „Querdenkern“ und Corona-Leugnern vor allem im Zusammenhang mit Demonstrationen beobachten können, erklärt die Psychologin. Seitdem habe sich die Gewalt dezentralisiert. „Jetzt richtet die Gewalt sich zum Beispiel mehr gegen Impfzentren“, sagt Lamberty.

Taten Einzelner, die abseits von Demonstrationen stattfinden, seien jedoch nicht weniger politisch. „Solche Taten entstehen aus einem Klima der Hetze und der Aggression heraus, das seit anderthalb Jahren geschürt wird.“

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