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Bhutan
:
Glück per Gesetz

Das Königreich Bhutan gilt als Land des Glücks. Hier wird das „Bruttonationalglück“ statt des Bruttosozialprodukts gemessen. Doch die Bhutaner stehen zwischen Tradition und Moderne und damit vor schwierigen Aufgaben.

Mitten im Himalaya liegt ein Land von der Größe der Schweiz. Strahlend blauer Himmel, grauer Granit, saftig-grüne terrassierte Reisfelder und Bäume überziehen die Berghänge. Druk Yul heißt das Königreich auf Dzongkha, der Sprache seiner Einwohner, oder: Land des Donnerdrachens. So jedenfalls lautet der Staatsname Bhutans.

Eingeklemmt zwischen China und Indien leben hier 770.000 Einwohner nach buddhistischer Religion: Das Königreich Bhutan gilt als Land des Glücks, weil hier das „Bruttonationalglück“ und nicht nur das Bruttosozialprodukt gemessen wird. Denn das Recht auf Glück ist in Bhutan per Gesetz Ziel allen staatlichen Handelns und in der Verfassung verankert. Nicht die üblichen Parameter wie Wirtschaftswachstum oder Bruttoinlandsproduktion gelten als Maß aller Dinge, sondern die Zufriedenheit der Einwohner.



 Dzong in der Hauptstadt Thimpu ist eines von zahlreichen buddhistischen Klöstern des Landes.


Dzong in der Hauptstadt Thimpu ist eines von zahlreichen buddhistischen Klöstern des Landes.
Foto: Anja Steinbuch/Michael Marek

„Kuzungpo!“ Mit dem Gruß in der Nationalsprache empfängt uns Sonam Loday am Flughafen. Der sportliche 36-Jährige begleitet uns – als Tourguide und Übersetzer. Die rund-um-die-Uhr-Betreuung ist für alle Touristen aus Übersee staatlich vorgeschrieben.

Große Höhenunterschiede und schmale, steil ansteigende Straßen gehören zum Alltag. Bunte indische Lastwagen quälen sich schwer beladen die Bergpässe hinauf, umschwirrt von nicht viel schnelleren Kleinwagen der Marke Maruti Suzuki. Überall am Wegesrand: Glaubenszeichen des Buddhismus – und vierbeinige Reinkarnationen. Horden von Straßenhunden und dösende Kühe machen sich überall breit, denn Buddhisten tun gemäß ihres Glaubens keiner Fliege etwas zuleide, geschweige einem Hund oder Menschen.

Auch unser Begleiter Sonam war auf einer Klosterschule. Betritt er einen Tempel, fällt er wie vom Blitz getroffen auf den Boden und senkt dreimal Stirn und Brust symbolisch vor Buddha. Dieser allgegenwärtige Naturglaube und die religiöse Hingabe wirken in unserer technologieversessenen Weltsicht wie ein spiritueller Befreiungsschlag. Immer mehr Reisegruppen machen sich in das Himalaja-Reich auf. Ein teures Vergnügen, denn Bhutan verlangt 250 US-Dollar „Eintrittsgeld“ pro Tag und Tourist – obligatorische Drei-Sterne-Unterkunft, Transport und Fahrer inbegriffen.



 Touristen erhalten eine Rund-um-die-Uhr-Begleitung durch Guides wie Sonam Loday.


Touristen erhalten eine Rund-um-die-Uhr-Begleitung durch Guides wie Sonam Loday.
Foto: Anja Steinbuch/Michael Marek

Nach einer Stunde Fahrtzeit erreichen wir Thimphu. Mit mehr als 100.000 Einwohnern ist die Hauptstadt eine der am schnellsten wachsenden Städte Südostasiens – und mit Verkehrsproblemen wie in allen Großstädten der Welt. Aber ohne Ampeln. Dafür regelt ein Polizist mit weißen Handschuhen und anmutigen Armbewegungen den Verkehr auf dem zentralen Knotenpunkt. Der „Dancing Policeman“ ist sogar als Sehenswürdigkeit in Reiseführern vermerkt. Thimphu ist weltweit die einzige Hauptstadt ohne Ampel, erklärt Sonam: „Die Regierung hatte eine Ampel aufstellen lassen. Aber die Menschen kamen mit Rot- und Grünzeichen nicht zurecht. Und so wurde die Ampel wieder abgebaut und das alte System fortgeführt.“

Bhutaner haben eine starke Verbindung zur Natur. „Das Streben nach Harmonie mit der Natur und der buddhistische Blick nach innen mache die Identität der Bhutaner aus“, erklärt der Historiker Karma Phuntsho. Das sei das buddhistische Erbe. Im Westen gebe es zahlreiche Irrtümer über Bhutan. „Viele sehen unser Land als Shangri-La und als das glücklichste Land der Welt. Aber das ist nicht der Fall.“ Der Historiker muss es wissen. 2013 hat er als erster Bhutaner eine Gesamtgeschichte seines Landes auf Englisch vorgelegt. „Acht bis zehn Prozent aller Bhutaner leben in bitterer Armut“, resümiert Phuntsho. Zum selben Ergebnis kommt auch eine Studie des US-amerikanischen Markt- und Meinungsforschungsinstituts Gallup. Der „Welt-Glücks-Bericht“ wird jährlich im Auftrag der Vereinten Nationen herausgegeben. Von 156 untersuchten Ländern liegt Bhutan 2019 nur im unteren Mittelfeld und rangiert auf Platz 95. Als Drittweltland kämpft Bhutan gegen Armut und erschwerte Bedingungen. Dazu gehören auch eine hohe Jugendarbeitslosigkeit und Auslandsschulden.

Dabei hat das Land eine außergewöhnliche Bilanz vorzuweisen: Knapp 30 Prozent der Staatseinnahmen werden mit der Stromgewinnung durch Wasserkraft erwirtschaftet. Tendenz steigend. Indien ist seit Jahren der größte Abnehmer für Strom. Für das kleine Bhutan ist diese Form nachhaltiger Energiegewinnung der wichtigste Wirtschaftszweig. Trotz des riesigen Anteils von Wäldern spielt die Holzwirtschaft keine Rolle. Wasserkraft bildet das ökonomische Rückgrat Bhutans.



 30 Prozent der Staatseinnahmen werden mit der Stromgewinnung durch Wasserkraft erwirtschaftet.


30 Prozent der Staatseinnahmen werden mit der Stromgewinnung durch Wasserkraft erwirtschaftet.
Foto: Michael Marek

Am Ende unserer Bhutan-Reise geht es dorthin, wo jeder Ausländer hin muss: Taktsang – das Nest des Tigers – ist ein Ensemble ineinander verschachtelter Häuser mit breiten Fundamenten, sich nach oben verjüngenden Wänden und flachen, mehrstufigen Dächern – das Highlight einer jeden Bhutan-Reise. Hier soll einmal alles begonnen haben, als im 8. Jahrhundert Padmasambhava den Buddhismus ins Königreich der Achttausender brachte. Guru Rinpoche, Edler Guru, nennen die Bhutaner ihren Schutzpatron ehrfürchtig. Heute sorgt das Wachpersonal am Eingang des Klosters dafür, dass jeden Abend alle Besucher wieder den Berg hinabsteigen.

Bisher konnten sich die Bhutaner stets schützen – vor Eindringlingen, vor Kolonialisierung, vor Weltkriegen. Auch die moderaten Covid-19-Infektionszahlen zeigen, wie behütet dieses kleine Land ist. Bhutaner haben ihre intakte Natur, die Götter und ihren Zusammenhalt in der Gesellschaft. Das hat sich bewährt.

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Das Königreich Bhutan gilt als Land des Glücks. Hier wird das „Bruttonationalglück“ statt des Bruttosozialprodukts gemessen. Doch die Bhutaner stehen zwischen Tradition und Moderne und damit vor schwierigen Aufgaben.

Mitten im Himalaya liegt ein Land von der Größe der Schweiz. Strahlend blauer Himmel, grauer Granit, saftig-grüne terrassierte Reisfelder und Bäume überziehen die Berghänge. Druk Yul heißt das Königreich auf Dzongkha, der Sprache seiner Einwohner, oder: Land des Donnerdrachens. So jedenfalls lautet der Staatsname Bhutans.

Eingeklemmt zwischen China und Indien leben hier 770.000 Einwohner nach buddhistischer Religion: Das Königreich Bhutan gilt als Land des Glücks, weil hier das „Bruttonationalglück“ und nicht nur das Bruttosozialprodukt gemessen wird. Denn das Recht auf Glück ist in Bhutan per Gesetz Ziel allen staatlichen Handelns und in der Verfassung verankert. Nicht die üblichen Parameter wie Wirtschaftswachstum oder Bruttoinlandsproduktion gelten als Maß aller Dinge, sondern die Zufriedenheit der Einwohner.



 Dzong in der Hauptstadt Thimpu ist eines von zahlreichen buddhistischen Klöstern des Landes.


Dzong in der Hauptstadt Thimpu ist eines von zahlreichen buddhistischen Klöstern des Landes.
Foto: Anja Steinbuch/Michael Marek

„Kuzungpo!“ Mit dem Gruß in der Nationalsprache empfängt uns Sonam Loday am Flughafen. Der sportliche 36-Jährige begleitet uns – als Tourguide und Übersetzer. Die rund-um-die-Uhr-Betreuung ist für alle Touristen aus Übersee staatlich vorgeschrieben.

Große Höhenunterschiede und schmale, steil ansteigende Straßen gehören zum Alltag. Bunte indische Lastwagen quälen sich schwer beladen die Bergpässe hinauf, umschwirrt von nicht viel schnelleren Kleinwagen der Marke Maruti Suzuki. Überall am Wegesrand: Glaubenszeichen des Buddhismus – und vierbeinige Reinkarnationen. Horden von Straßenhunden und dösende Kühe machen sich überall breit, denn Buddhisten tun gemäß ihres Glaubens keiner Fliege etwas zuleide, geschweige einem Hund oder Menschen.

Auch unser Begleiter Sonam war auf einer Klosterschule. Betritt er einen Tempel, fällt er wie vom Blitz getroffen auf den Boden und senkt dreimal Stirn und Brust symbolisch vor Buddha. Dieser allgegenwärtige Naturglaube und die religiöse Hingabe wirken in unserer technologieversessenen Weltsicht wie ein spiritueller Befreiungsschlag. Immer mehr Reisegruppen machen sich in das Himalaja-Reich auf. Ein teures Vergnügen, denn Bhutan verlangt 250 US-Dollar „Eintrittsgeld“ pro Tag und Tourist – obligatorische Drei-Sterne-Unterkunft, Transport und Fahrer inbegriffen.



 Touristen erhalten eine Rund-um-die-Uhr-Begleitung durch Guides wie Sonam Loday.


Touristen erhalten eine Rund-um-die-Uhr-Begleitung durch Guides wie Sonam Loday.
Foto: Anja Steinbuch/Michael Marek

Nach einer Stunde Fahrtzeit erreichen wir Thimphu. Mit mehr als 100.000 Einwohnern ist die Hauptstadt eine der am schnellsten wachsenden Städte Südostasiens – und mit Verkehrsproblemen wie in allen Großstädten der Welt. Aber ohne Ampeln. Dafür regelt ein Polizist mit weißen Handschuhen und anmutigen Armbewegungen den Verkehr auf dem zentralen Knotenpunkt. Der „Dancing Policeman“ ist sogar als Sehenswürdigkeit in Reiseführern vermerkt. Thimphu ist weltweit die einzige Hauptstadt ohne Ampel, erklärt Sonam: „Die Regierung hatte eine Ampel aufstellen lassen. Aber die Menschen kamen mit Rot- und Grünzeichen nicht zurecht. Und so wurde die Ampel wieder abgebaut und das alte System fortgeführt.“

Bhutaner haben eine starke Verbindung zur Natur. „Das Streben nach Harmonie mit der Natur und der buddhistische Blick nach innen mache die Identität der Bhutaner aus“, erklärt der Historiker Karma Phuntsho. Das sei das buddhistische Erbe. Im Westen gebe es zahlreiche Irrtümer über Bhutan. „Viele sehen unser Land als Shangri-La und als das glücklichste Land der Welt. Aber das ist nicht der Fall.“ Der Historiker muss es wissen. 2013 hat er als erster Bhutaner eine Gesamtgeschichte seines Landes auf Englisch vorgelegt. „Acht bis zehn Prozent aller Bhutaner leben in bitterer Armut“, resümiert Phuntsho. Zum selben Ergebnis kommt auch eine Studie des US-amerikanischen Markt- und Meinungsforschungsinstituts Gallup. Der „Welt-Glücks-Bericht“ wird jährlich im Auftrag der Vereinten Nationen herausgegeben. Von 156 untersuchten Ländern liegt Bhutan 2019 nur im unteren Mittelfeld und rangiert auf Platz 95. Als Drittweltland kämpft Bhutan gegen Armut und erschwerte Bedingungen. Dazu gehören auch eine hohe Jugendarbeitslosigkeit und Auslandsschulden.

Dabei hat das Land eine außergewöhnliche Bilanz vorzuweisen: Knapp 30 Prozent der Staatseinnahmen werden mit der Stromgewinnung durch Wasserkraft erwirtschaftet. Tendenz steigend. Indien ist seit Jahren der größte Abnehmer für Strom. Für das kleine Bhutan ist diese Form nachhaltiger Energiegewinnung der wichtigste Wirtschaftszweig. Trotz des riesigen Anteils von Wäldern spielt die Holzwirtschaft keine Rolle. Wasserkraft bildet das ökonomische Rückgrat Bhutans.



 30 Prozent der Staatseinnahmen werden mit der Stromgewinnung durch Wasserkraft erwirtschaftet.


30 Prozent der Staatseinnahmen werden mit der Stromgewinnung durch Wasserkraft erwirtschaftet.
Foto: Michael Marek

Am Ende unserer Bhutan-Reise geht es dorthin, wo jeder Ausländer hin muss: Taktsang – das Nest des Tigers – ist ein Ensemble ineinander verschachtelter Häuser mit breiten Fundamenten, sich nach oben verjüngenden Wänden und flachen, mehrstufigen Dächern – das Highlight einer jeden Bhutan-Reise. Hier soll einmal alles begonnen haben, als im 8. Jahrhundert Padmasambhava den Buddhismus ins Königreich der Achttausender brachte. Guru Rinpoche, Edler Guru, nennen die Bhutaner ihren Schutzpatron ehrfürchtig. Heute sorgt das Wachpersonal am Eingang des Klosters dafür, dass jeden Abend alle Besucher wieder den Berg hinabsteigen.

Bisher konnten sich die Bhutaner stets schützen – vor Eindringlingen, vor Kolonialisierung, vor Weltkriegen. Auch die moderaten Covid-19-Infektionszahlen zeigen, wie behütet dieses kleine Land ist. Bhutaner haben ihre intakte Natur, die Götter und ihren Zusammenhalt in der Gesellschaft. Das hat sich bewährt.

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