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Debatte um Tanzverbot und Co.
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Sollte Karfreitag stiller Feiertag bleiben?

Trauen oder tanzen? Die Wiedereröffnung des Kultur- und Nachtlebens entfacht eine alte Debatte neu. Dabei geht es bei Karfreitag um mehr als Bedürfnisbefriedigung – und zwar auf beiden Seiten.

Wettbüros, Wochenmärkte, Fußballspiele, Freizeitparks, Zirkusaufführungen, aber auch Ausstellungen und Briefmarkentauschbörsen machen diesen Karfreitag wieder zwangsläufig Pause. Anders als in der allgemeinen Wahrnehmung und der alljährlichen Diskussion sind es nicht nur Clubs und Kneipen, die den gesetzlichen Bestimmungen zum Stillen Feiertag unterliegen. Es ist auch kein reines Tanzverbot, das für den Karfreitag gilt. Und darin liegt auch schon das erste Missverständnis.

An keinem Tag ist es offiziell so still wie an Karfreitag, dem mit Ostern höchsten evangelischen Feiertag im Kirchenjahr. Ruhe ist in der Debatte zuletzt nur vorübergehend eingekehrt, und das auch nur, weil die Pandemie-Auflagen sie während Corona überflüssig gemacht haben. Wer die nun wieder geltenden Bestimmungen als Ausdruck illiberaler Religiosität und unnötigen Anachronismus abtut, entwertet nicht nur die Bedeutung des Christentums für unser Land, sondern die von Religionen im Allgemeinen. Spottaktionen wie Comedy-„Kreuzigungen“ oder Gegenveranstaltungen unter dem Motto „Heidenspaß statt Höllenqual“, die es vor der Pandemie gab, zeugen von Respektlosigkeit. Doch genau das Gegenteil ist die Basis eines friedlichen Zusammenlebens in einer immer pluraleren Gesellschaft: Toleranz und Achtung für einander. „Nicht mehr zeitgemäß“, kann in der Debatte kein Argument sein.

Zu den freiheitlichen Grundwerten der westlichen Demokratien gehört zwar die Trennung von Staat und Kirche – das Christentum, die christlichen Werte aber sind die Grundlage unseres abendländischen Denkens und Handelns. Immerhin 44,9 Millionen Menschen in Deutschland – gut die Hälfte also – gehören einer der beiden großen Konfessionen an. Den Nicht-Christen hierzulande konfessionelle Regeln aufzudrängen, darum geht es nicht – weder an Ostern noch an Allerheiligen oder wenn man es genau nimmt: an jedem siebten Wochentag. Denn auch der Sonntag, aus theologischer Sicht das Wochen-Ostern, geht auf die Auferstehung Jesu zurück. Wer die Abschaffung der stillen Feiertage fordert, müsste konsequenterweise auch mit dem Ende des sonntäglichen Ruhetags leben.

Karfreitag hat für Gläubige eine besondere Bedeutung: Jesus wird verraten, gekreuzigt, es geht um Unrecht, Folter und Mord. Leider Dinge, die auch in der realen Welt gerade so präsent sind wie lange nicht. Grund genug, den Tag zum Anlass zu nehmen für Trauer, Stille und Innehalten.

Dennoch gibt es Argumente gegen gesetzlich verordnete Stille. Kara steht für Trauer. Kein Wunder, dass der Karfreitag, an dem Christen des brutalen Justiz-Mords an Jesus Christus gedenken, so benannt ist. Denn dieser Mensch, der nach christlichem Glauben den anderen Menschen den Weg zu Gott geebnet hat und sie nach dem Tod von ihren eigenen Taten erlösen wird, musste dafür durch die Hölle gehen. Sterben nach einem qualvollen Tod am Kreuz. Viele Gläubige halten deshalb am Karfreitag inne, sie drehen das Radio leiser als sonst und nehmen sich zurück. Verzichten freiwillig – zum Beispiel auf Fleisch am Küchentisch. Gedenken damit jemandem, der für ihren Glauben ein großes Opfer gebracht hat. Sich zu besinnen und für ihn innezuhalten – das will den Christen auch keiner aberkennen. In Deutschland gilt schließlich die Religionsfreiheit. Und was auf den Teller kommt oder in den eigenen vier Wänden passiert, entscheidet jeder selbst.

Doch ungläubige Menschen oder die, die an etwas anderes glauben, haben keine große Wahl, wie sie den Tag gestalten. Denn der Karfreitag ist ein stiller Feiertag. Religiöse Regeln, die sie von einem weltanschaulich neutralen Staat auferlegt bekommen, gelten plötzlich auch für sie.

Dabei hat der Karfreitag für knapp 40 Prozent der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen überhaupt keine Bedeutung. Über sieben Millionen Menschen gehören weder der evangelischen noch der katholischen Kirche an. Es wirkt zunächst wie ein kleines Problem, nicht zu Volksfesten oder in die Disco gehen und sich zur Party im Park treffen zu können, aber die Regeln sind unumstößlich und von oben herab. Entschieden von einem Staat, dessen Bevölkerung früher einmal nur christlich war. Doch das ist Vergangenheit. Wenn von 18 Millionen Menschen in NRW mittlerweile über sieben Millionen nicht oder nicht mehr den beiden großen christlichen Religionen angehören, dann sind die religiöse Vorschriften nicht mehr zeitgemäß.

Rücksicht zu nehmen, Ansichten zu respektieren, das geht auch anders. Wenn man miteinander spricht und sich zuhört. Die Grenzen der anderen einhält, ihre Wünsche achtet. Es braucht keine strengen Regeln für die einen, damit die anderen ungestört sind. Vielmehr sollten die Christen am Karfreitag im Zeichen ihrer Nächstenliebe auch anderen erlauben, das zu tun, was sie möchten. So dass jeder selbst wählen kann, wie er den Tag verbringt. Und wenn wirklich jemand auffallend stört, kann man ihn auch ganz altmodisch bitten, leiser zu sein.

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