Die Angst ist groß: Es droht eine Eskalation im Nahen Osten, und auch im Ukraine-Krieg läuft es für den Westen schlecht. Ausgerechnet ein israelischer Angriff auf den Iran sorgt nun für Aufatmen. Doch die Lage bleibt hochexplosiv. Von der Insel Capri berichtet Patrick Diekmann Als die Nachricht vom Angriff Israels auf den Iran die Insel Capri und den G7-Gipfel erreicht, fürchten die Gipfelteilnehmer zunächst das Schlimmste: Luftschläge der israelischen Armee, sensibelste Ziele im Iran getroffen. Ein Schockmoment – exakt davor hatten die G7 und der Westen gezittert: Ein großer Krieg im Nahen Osten, in den westliche Mächte wie die USA unweigerlich hineingezogen werden. Doch die schlechte Nachricht hat zwei gute im Schlepptau. Erstens: Schon kurze Zeit später zeigt sich, der Angriff ist begrenzt, überschaubar, weniger „total“ als befürchtet und somit vielleicht weniger folgenreich. Und zweitens: In Bezug auf den anderen großen Konflikt dieser Zeit – den Krieg in der Ukraine – kommt frohe Kunde von einem, von dem eher selten positive Signale ausgehen: Donald Trump . Der ehemalige und womöglich zukünftige Präsident der Vereinigten Staaten deutet tatsächlich an, dass die Ukraine wieder auf größere Unterstützung aus den USA hoffen darf. Die Reaktion der G7: Endlich Hoffnung, zumindest ein wenig. Solche Schimmer am Horizont waren in den vergangenen Monaten Mangelware. Tatsächlich hatte es aus westlicher Perspektive seit langem ausschließlich negative Entwicklungen gehagelt: Wladimir Putin ist in der Ukraine auf dem Vormarsch, und die Lage im Nahen Osten spitzt sich immer weiter zu. Ein Albtraum. Dass Israels Antwort auf den Großangriff des Iran vor einer Woche mit mehr als 300 Drohnen und Raketen eher moderat auszufallen scheint, ist für Vertreter der G7 auf Capri daher ein Grund zum Durch-, aber noch lange nicht zum Aufatmen. Das Krisengewitter hat sich nicht abgeschwächt. Aber eben auch nicht verstärkt. Das ist ein kleiner Sieg der Diplomatie – und auch für Außenministerin Annalena Baerbock persönlich. Schwer miteinander vereinbare Ziele Baerbock hatte sich in den vergangenen Monaten immer wieder für eine Deeskalation der Lage im Nahen Osten eingesetzt. Sie will einen großen Krieg in der Region verhindern und die humanitäre Lage im Gazastreifen verbessern helfen. Ein Kraftakt, von dem bis heute nicht klar ist, ob diese Ziele am Ende miteinander vereinbar sind. Nach dem Angriff des Iran auf Israel hatte sich Baerbock so wie auch der britische Außenminister David Cameron und sein US-Amtskollege Antony Blinken in Gesprächen mit der israelischen Führung massiv dafür eingesetzt, dass die Lage nicht weiter eskaliert. Und zwar noch bis kurz vor dem Start des Gipfels. Offenbar mit Erfolg – für alle Konfliktparteien. Israel beschränkte sich auf das deutliche Zeichen, dass es auf einen iranischen Angriff mit einer Operation tief im Herzen des Iran zurückschlagen kann. Für Teheran wiederum war der Angriff klein genug, um ihn herunterspielen zu können. Das iranische Regime sprach von „kleinen Drohnen“, die die eigene Luftabwehr abgeschossen habe. Sollte sich der Umfang dieses israelischen Angriffs bestätigen, wäre das in jeder Hinsicht ein Grund zur Freude für die G7: Ein begrenzter Angriff, auf den der Iran möglicherweise nicht scharf antworten muss und der keinen Flächenbrand entfacht? Das hatten sich Israels westliche Partner gewünscht. Die Erleichterung auf Capri ist dementsprechend groß. Israel und der Iran wahren ihr Gesicht. Eine größere Eskalation ist unwahrscheinlicher geworden. Damit ist der Konflikt zwischen beiden Staaten zwar weiterhin gefährlich, aber alle Beteiligten – inklusive der G7-Staaten – haben eine kleine Verschnaufpause erhalten. Trump macht Ukraine Hoffnung Mit kaum weniger Sorge hatten die G7-Vertreter von Capri aus auf die Ukraine geblickt. Die Unterstützung des Landes hat schwer nachgelassen. Die Regierung in Kiew muss um westliche Waffen geradezu betteln. Außenminister Dmytro Kuleba war bei der Nato-Jubiläumsfeier Anfang April in Brüssel den Tränen nahe, weil der Westen nicht mehr Luftverteidigung für das angegriffene Land mobilisiert. Ein Armutszeugnis, aus der Sicht vieler. Doch obwohl der Westen kurz davor ist, eine historische Niederlage gegen Putin zu kassieren, gab es auch auf Capri keinen Durchbruch. Zwar zeigte sich Kuleba hinter den Kulissen froh darüber, dass Deutschland ein weiteres Patriot-System liefert. Zwar nur eins, aber immerhin. Die Ukraine reagiert momentan euphorisch auf jede Hilfe, sei sie noch so klein. Ende noch nicht in Sicht Um so wichtiger könnte da werden, was US-Außenminister Blinken auf Capri andeutete: In den USA ende vielleicht schon bald die Blockade der Ukraine-Hilfen durch die Republikaner. Und dann war da ja noch Donald Trump, der sich unabhängig davon am Donnerstagabend (Ortszeit) zu Wort meldete: „Wir sind uns alle einig, dass das Überleben und die Stärke der Ukraine für Europa viel wichtiger sein sollten als für uns, aber es ist auch für uns wichtig!“, so schrieb er bei „Truth Social“. Zwar verband Trump diese Äußerung direkt mit einem Seitenhieb gegen die alte Welt: „Komm in die Gänge, Europa!“, schob er hinterher. Aber der Satz, die Ukraine sei „wichtig“ für die USA, war neu und eine wichtige Kurskorrektur. Auf Capri nährte sie die Hoffnung, dass die Blockade der Ukraine-Hilfen durch Trumps Republikaner tatsächlich schon am Wochenende fallen könnte. Wie wichtig eine solche Einigung wäre angesichts der verzweifelten Lage der Ukrainer, daran ließ auch US-Außenminister Blinken bei seiner Pressekonferenz zum Abschluss des G7-Treffens keinen Zweifel: „Die Ukraine braucht dieses Geld dringend.“ Die US-Regierung möchte die ukrainische Armee wieder mehr unterstützen und gleichzeitig China davon abhalten, die russische Kriegsproduktion zu stützen. Ob das wirklich klappt, liegt vor allem an Donald Trump. Positive Signale an beiden Krise-Fronten also. Zur Trendwende reicht all das aber noch nicht. Denn der Ukraine mangelt es noch immer an Luftverteidigung und anderen Waffensystemen, um sich langfristig gegen Putin verteidigen zu können. Und die Lage für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen ist auch noch immer katastrophal.