Bei Untersuchungen des Gehirns von Heather Anderson wurde eine schreckliche Erkrankung festgestellt. Die Footballspielerin hatte mit 28 Jahren Suizid begangen.Heather Anderson wurde im vergangenen November tot in einer Kaserne der australischen Streitkräfte gefunden. Die Soldatin und ehemalige Footballspielerin hatte sich mit nur 28 Jahren suizidiert. Wie jetzt bekannt wurde, litt die Australierin an einer schweren degenerativen Hirnerkrankung namens CTE (Chronische traumatische Enzephalopathie). Sie ist damit die erste weibliche Sportlerin weltweit, bei der diese Krankheit nachgewiesen wurde.Andersons Eltern hatten das Gehirn ihrer Tochter nach der Autopsie einer Stiftung zur Erforschung von CTE gespendet. Die Wissenschaftler der Australian Sports Brain Bank (ASBB) schrieben in einem Beitrag in der Fachzeitschrift „The Conversation“ zum Ergebnis ihrer Untersuchungen: „Sie ist die erste Sportlerin überhaupt, die mit CTE diagnostiziert wurde. Aber sie wird sicher nicht die Letzte bleiben.“Es ist eine erschütternde Diagnose, denn alleine in Andersons Heimat Australien engagierten sich im Jahr 2022 rund eine Million Mädchen und Frauen in einer Kontaktsportart. Zwei dieser Kontaktsportarten, Rugby und Australian Rules Football, sind in dem Land besonders populär. Und damit ist auch das Risiko, eine folgenschwere Kopfverletzung zu erleiden, besonders hoch. Jede Gehirnerschütterung ist gleichbedeutend mit einem leichten Schädel-Hirn-Trauma. Mit jedem Trauma steigt das Risiko, an CTE zu erkranken.Im fortgeschrittenen Stadium nur noch ein poröser SchwammFootball betrieb Anderson seit ihrem fünften Lebensjahr. Insgesamt umfasste ihre erfolgreiche Karriere eine Spanne von 18 Jahren, in denen sie vermutlich eine ganze Reihe von Kopfstößen erlitt. Sie spielte in der Australien Football League der Frauen (AFLW) zuletzt als Verteidigerin für das Team der Adelaide Crows.Kopfstöße, und damit Erschütterungen des Gehirns, zählen zu den hauptsächlichen Auslösern von CTE. Die Erkrankung verläuft schleichend. Zu ihren Symptomen zählen Gedächtnisstörungen, Koordinationsprobleme, Verwirrtheit, Depressionen, Demenz und zunehmend aggressives Verhalten. Betroffene erleben die Krankheit als eine Art Identitätsauflösung.Das verwundert nicht. Bei CTE löst sich nach und nach die Hirnsubstanz auf, und mit ihr auch die kognitiven Fähigkeiten. Im fortgeschrittenen Stadium ist das Gehirn nur noch ein poröser Schwamm.Zahl der Gehirnerschütterungen nimmt zuEine Sportart, in der CTE bei etlichen Spielern nachgewiesen werden konnte, ist American Football. Forscher der Boston University fanden in den Gehirnen von 376 Spielern, die sie untersuchen konnten, 345 Mal CTE. Die Sportart gilt als äußerst hart. Unter den beteiligten Spielern, und auch Trainern, zählt immer noch die Härte gegen sich selbst und den eigenen Körper.Zwar hat die US-Liga NFL bereits 2009 ein sogenanntes concussion protocol eingeführt. Es schreibt vor, dass Spieler, die während eines Matches einen Kopfstoß erleiden, sofort medizinisch untersucht und bei Anzeichen einer Gehirnerschütterung aus dem Spiel genommen werden müssen. Inwieweit die Klubs dieses Protokoll aber auch in den Trainings erfüllen, ist unklar.Alleine in der vergangenen Saison ist die Zahl der diagnostizierten Gehirnerschütterungen in der NFL um 18 Prozent gestiegen, Experten schätzen die Dunkelziffer aber weitaus höher. Der Sport wird trotz des Wissens um CTE also nicht weniger gefährlich. In anderen Sportarten wie Fußball, Boxen, Wrestling oder Martial Arts gibt es solche Schutzmaßnahmen zwar zum Teil auch, ihre jeweilige Umsetzung fällt allerdings höchst unterschiedlich aus.Der Weltverband Rugby schreibt seinen Spielern hingegen nicht einmal das Tragen eines Kopfschutzes vor, da nicht belegt sei, dass Helme vor Gehirnerschütterungen schützen. Stattdessen wird auf den richtigen Einsatz der Spieltechnik verwiesen.Anderson wusste um die Folgen der ErkrankungProminente Beispiele für von CTE betroffene Sportler gibt es genug. Terry Long, Offensivspieler der Pittsburgh Steelers brachte sich 2005 um, indem er Frostschutzmittel trank. Oder Andre Waters. Er galt als einer der härtesten „Hitter“ der NFL, also solche Spieler, die mit dem Körper (und dabei oft mit dem Kopf) voran in den Gegenspieler rammen. Weil CTE ihn plagte, tötete er sich 2006 selbst. Dave Duerson erschoss sich 2011. Die Obduktion seiner Leiche ergab eine fortgeschrittene Degeneration des Hirngewebes: CTE. Die Liste ließe sich fortführen.Bislang war CTE ein Phänomen, das nur männliche Athleten zu betreffen schien. Das ist mit dem Fall Heather Anderson nun widerlegt. Die Rugbyspielerin beendete ihre Karriere, nachdem sie sich im Grand Final 2017, dem Saisonhöhepunkt in der Australian Football League (AFL), eine schwere Verletzung zugezogen hatte. Danach ließ sie sich in der australischen Armee zur Rettungssanitäterin ausbilden, studierte nebenbei Psychologie. Dass sie um die gravierenden Auswirkungen der Erkrankung wusste, darf angenommen werden.Andersons Markenzeichen auf dem Rasen war ihr pinkfarbener Schutzhelm. Sie hasse alles pinke und mädchenhafte, wie sie dem Internetportal Mamamia sagte. Dennoch färbte sie sich ihren Kopfschutz pink, damit ihre unter einer Sehschwäche leidende Mutter endlich zu den Spielen kam – mithilfe des pinkfarbenen Helms war Heather auf dem Feld leicht zu identifizieren. Ihre Mutter habe stets Angst gehabt, dass sie in andere Spielerinnen hineinkrachen und sich verletzten könnte, erzählte Anderson.Die Sportlerin warb auch nach ihrer Karriere für den Schutz vor Kopfverletzungen und für mentale Gesundheit. Ihr selbst half das nicht mehr.Hinweis: Falls Sie viel über den eigenen Tod nachdenken oder sich um einen Mitmenschen sorgen, finden Sie hier sofort und anonym Hilfe.