[ad_1]


Nicaragua
:
Haus der drei Welten

Einst kommandierte er die Raumpatrouille Orion zu fernen Galaxien. Dann war er Show- und Talkmaster im deutschen Fernsehen. Seine wahre Bestimmung fand Dietmar Schönherr in Nicaragua. Gemeinsam mit dem nicaraguanischen Dichter Ernesto Cardenal gründete er 1988 ein einzigartiges Kulturprojekt: die „Casa de los Tres Mundos“ in Granada.

Wer das Zentrum Granadas besucht, begibt sich auf Zeitreise. Die 1524 von Francisco Hernández de Córdoba gegründete Kolonialstadt war die erste europäische Siedlung in Nicaragua. Ihre Lage am riesigen Nicaraguasee versprach den spanischen Konquistadoren den idealen Ausgangspunkt für die Besiedlung und Ausplünderung der Region. Eine feuchtwarme Brise zieht stets vom See herauf, an dessen Westufer die Stadt liegt. Er ist das größte Binnengewässer Mittelamerikas, 15 Mal so groß wie der Bodensee. Zeugnis der einstigen Bedeutung sind Kathedrale, Kirchen und viele gediegene Villen mit ihren Säulenreihen und Arkadengängen.

Eine der prächtigsten von ihnen ist die Casa de los Tres Mundos – das „Haus der drei Welten“. Das Herrenhaus liegt nur wenige Schritte von der Kathedrale entfernt. Ein massives Eingangsportal aus hellem Sandstein ist der letzte original erhaltene Bauteil der vor genau 300 Jahren als Casa de los Leones, als „Haus der Löwen“ erbauten Residenz im spanischen Kolonialstil. Zwei Löwenfiguren blicken vom Portico auf die Besucher herab. Dass hier eines der ältesten Kulturzentren Zentralamerikas liegt, wissen selbst die Touristen nicht, die, wenn nicht gerade Covid-19-Pandemie ist, in Reisebusstärke eintreffen. Denn die kommen, um einen Blick auf das Vermächtnis von Dietmar Schönherr zu werfen.

Der Schauspieler aus Innsbruck war in den 1960er- bis 1980er-Jahren ein TV-Star bei ARD und ZDF, seit er mit der Raumpatrouille Orion auf der Mattscheibe in ferne Galaxien vorgestoßen war. Die erste Science Fiction-Serie im deutschen Fernsehen erlangte umgehend Kultstatus. Weil er bald mit seinem Ruhm fremdelte, wandte sich der politisch links angesiedelte Schönherr den Freiheitsbewegungen Lateinamerikas jener Zeit zu und gründete 1988 mit dem nicaraguanischen Nationaldichter, Priester und ehemaligen Kulturminister Ernesto Cardenal in dessen Heimatstadt die Kulturstiftung Casa de los Tres Mundos. Ein großformatiges Bodenmosaik im zentralen Patio zeigt den altersweisen Schönherr mit Rauschebart.



 Die Casa de los Tres Mundos in Granada wurde vor gut 30 Jahren gegründet.


Die Casa de los Tres Mundos in Granada wurde vor gut 30 Jahren gegründet.
Foto: Sven Weniger

Johannes Kranz, einer von zwei österreichischen Direktoren der Stiftung, führt Besucher gerne in den ersten Stock. Nur von dort oben und aus dem Weltraum, wie Kranz augenzwinkernd anfügt, könne man das hundert Qua­dratmeter große Porträt erkennen. Distanz als Weg zum Blick auf den wahren Kern, das hätte auch dem Gründer gefallen, der 2014 verstarb. Mehr als 9000 Kilometer vom TV-Ruhm entfernt fand Schönherr in Nicaragua und Granada seine zweite Heimat.

Wer Granada besucht, bekommt den Eindruck einer legeren Universitätsstadt mit großem touristischem Potenzial. Eine junge Bevölkerung, Lokale, aus denen karibische Klänge auf die Straßen fließen, legere Straßencafés, Souvenir- und Imbissstände. Musikanten auf dem von hohen Birkenfeigen beschatteten Parque Central. Bunte Pferdekutschen, die in Reihen auf Touristen warten, ambulante Händler.

Seit den dreimonatigen Unruhen 2018 begleiten Polizeieskorten Touristenbusse durch ein unsicheres Land. Die ihnen zugeteilten Fremdenführer wirken wie sozialistische Kader, die die Regierung in höchsten Tönen loben und von den Schönheiten des Landes schwärmen. Die Proteste von vor drei Jahren tun sie als kurze Anomalie in einem ansonsten erfolgreichen System ab. Für den Halt vor den Sehenswürdigkeiten Granadas, wie beim Besuch der Iglesia de la Merced, werden ganze Straßen abgesperrt, um jedes Risiko für die Ausländer auszuschließen. Wer den Kirchturm erklimmt, der blickt über ein Meer roter Dachziegel, die ockerfarbene Fassade der Kathedrale und die Palmengürtel am Ufer bis weit auf den Nicaraguasee hinaus, dessen spiegelglatte Oberfläche in der Mittagshitze flirrt. Eine Provinzidylle, in der die Casa de los Tres Mundos für Kontinuität und Aufbruch gleichermaßen steht.



 Vom ersten Stock aus kann man in der Casa de los Tres Mundos das 100 Quadratmeter große Mosaik von Dietmar Schönherr erkennen.


Vom ersten Stock aus kann man in der Casa de los Tres Mundos das 100 Quadratmeter große Mosaik von Dietmar Schönherr erkennen.
Foto: Sven Weniger

Denn auch gut 30 Jahre nach ihrer Gründung zeigt sich, dass die Entscheidung, den Austausch zwischen Menschen verschiedener Kulturräume, Länder und Sprachen hier zu fördern, bis heute trägt. Dieter Stadler, der zweite Direktor und seit Beginn dabei, erinnert sich an die vielen Unterstützer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die seither hierher gepilgert sind, und ohne deren finanzielle Hilfe bis heute das Haus der Drei Welten längst eingestürzt wäre, zumindest symbolisch. Fast die gesamten 200.000 Euro, da die Kulturstiftung jährlich braucht, kämen aus Europa, vor allem vom Förderverein Pan y Arte. Für die Kunst gibt es in Nicaragua kaum Mittel, das Land ist bettelarm.

Damals reisten Aktivisten, Intellektuelle und Schriftsteller hin und her. Es gab Lesungen, Konzerte, ideologische Diskussionen. Ernesto Cardenal kam mehrfach nach Deutschland. Inzwischen, sagt Dieter Stadler, sei das Interesse an Lateinamerika in Europa aber weitgehend versiegt. Daher stünde nun die lokale Bevölkerung, vor allem die Jugend im Vordergrund der Aufgaben, sagt Johannes Kranz und blickt aus seinem mit schwerem Tropenholzmobiliar bestückten Büro hinab auf das Schönherr-Mosaik. Oft liegen die gedämpften Klänge unterschiedlichster Instrumente in der Luft. Die Musikakademie der Casa de los Tres Mundos fördert Talente in der gesamten Region. In den Räumen rund um den Patio wird täglich geübt. Mittags wird es für kurze Zeit trubelig laut. Dann strömen Mädchen und Jungen in Schuluniform mit ihren Instrumenten heraus und durch das Tor auf den Marktplatz. Auch Workshops für Bildende Kunst sind erfolgreich. Die eigene Bildergalerie im Schatten der umlaufenden Arkaden zeugt davon. Es gibt Kurse für kreatives Schreiben, Dichtung, Blogprojekte für Mädchen, Austausch mit Kulturinstitutionen anderer Länder Zentralamerikas. Das Haus der Drei Welten betreibt zudem die Station „Radio Volcán“: das Vulkanradio. Täglich von 7 bis 21 Uhr geht das Programm auf Sendung mit Beiträgen für die regionalen Hörer – mit Themen zu Religion und Haushaltsfragen, Sendungen über Sport bis zu Popmusik für die Jugend Granadas.

[ad_2]

Source link

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert