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Debatten und Abstimmungen im Bundestag, bei denen es um ethische Themen geht, gelten gemeinhin als Sternstunden des Parlamentes. Politiker aus verschiedenen Parteien finden sich zusammen, um jenseits der Trennlinie zwischen Regierung und Opposition gemeinsam Gesetzentwürfe zu erarbeiten.

Das wird von vielen Abgeordneten als extrem bereichernd empfunden und ist daher letztlich ein Gewinn für die Demokratie. So war es zum Beispiel bei den Entscheidungen über die Sterbehilfe 2015 oder die Organspende 2020.

Die Auseinandersetzung über eine Impfpflicht reiht sich hier nicht ein. Sie ist ein Tiefpunkt für die Demokratie, weil es von Anfang an nur um Machtkämpfe und parteipolitische Taktiererei ging. Das Ergebnis ist das denkbar schlechteste: Obwohl zu erwarten ist, dass im Herbst die nächste Corona-Welle auf uns zurollt, passiert: Nichts.

Die Union hat ihren Anteil daran, aber die Hauptschuld trägt die Ampelkoalition. Sie hat der Impfpflicht zur Tarnung eigener Differenzen die Gewissensentscheidung als Denkmantel umgehängt. Denn eine Impfpflicht hätte wegen des Widerstandes in der FDP die Ampel schon kurz nach ihrer Bildung gesprengt.

Die Impfpflicht war und ist jedoch keine ethische Frage. Entweder sie ist erforderlich, geeignet und verhältnismässig, um endlich aus der Dauerschleife der Pandemie zu kommen, oder sie ist es eben nicht. Das ist eine politische Entscheidung, die auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und juristischer Einschätzungen getroffen werden muss.

So lief es bei der Einführung der Masernimpfpflicht 2019, als die damalige große Koalition einen gut begründeten Gesetzentwurf vorlegte, der im Bundestag auch viele Stimmen der Opposition bekam. Kanzler Scholz hat hingegen nicht einmal den Versuch unternommen, innerhalb der Ampel eine mehrheitsfähige Lösung zu finden, die aus der Dauerschleife der Pandemie führt.

Dass die Union das Ampel-Spielchen nicht mitgemacht hat, ist nachvollziehbar. Kritikwürdig bleibt aber, dass sie bis zum Schluss nur danach trachtete, Scholz und seinem Gesundheitsminister eine Niederlage beizubringen. Es ging ihr nie um die Sache, was an ihrem halbherzigen Antrag abzulesen ist.

Wegen Machtspielchen fehlte die echte Auseinandersetzung

Um das unwürdige Spiel perfekt zu machen, einigte sich die Ampel-Seite schließlich auf eine Impfpflicht ab 60 mit dem Argument, damit auf die Union zuzugehen, die diese Altersgrenze in ihrem Antrag vorgesehen hat. Doch zu diesem Zeitpunkt war längst klar, dass CDU und CSU die Reihen geschlossen halten.

Der Schwenk wurde nur vollzogen, um bei der nächsten Welle im Herbst mit dem Finger auf die Union zeigen zu können, falls wieder Schulen und Kitas geschlossen werden müssen und in den Pflegeheimen Menschen sterben.

Weil die Debatte zur Machtfrage verkommen war, fehlte im Übrigen eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine Impfpflicht in der gegenwärtigen Situation überhaupt verfassungsgemäß gewesen wäre.

Welche Druckmittel stehen noch offen?

Denn anders als bei einer Masern-Immunisierung verhindert eine Corona-Impfung nicht, dass das Virus weiter getragen wird. Sie dient also nur dem Selbstschutz, den der Staat nicht verordnen kann. Ein Eingriff in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit ist daher unverhältnismäßig, weshalb die vorgeschlagene Impfpflicht höchstwahrscheinlich vom Verfassungsgericht gekippt worden wäre.

Spätestens jetzt muss es darum gehen, welche anderen, rechtlich zulässigen Druckmittel es für Impfunwillige gibt, etwa höhere Krankenkassenbeiträge oder eine Beteiligung an den Kosten für eine Behandlung auf einer Intensivstation. Das wäre nicht nur gerecht, sondern als tiefer Griff ins Portemonnaie auch effektiv. Weitere Aufklärungskampagnen oder Appelle werden dagegen nichts bringen.

Von Tim Szent-Ivanyi/RND

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