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Eigentlich sollte Heike Makatsch 2016 nur ein einziges Mal im „Tatort” auftreten. Ihr dritter Fall um die blinde Zeugin eines tödlichen Tankstellen-Überfalls ist exzellent – seine Ausstrahlung aber kommt zur Unzeit.

Das Kamerabild ist mehr als verschwommen, der Ton umso klarer, die Namen der Beteiligten erscheinen zunächst in Blindenschrift – subtil ist der Einstieg in diesen „Tatort” nicht, aber effektiv. Rosa Münch (Henriette Nagel) ist zu 99 Prozent blind, von Geburt an. Das hindert die clevere, sarkastische 24-jährige Frau nicht daran zu studieren. Zur Aufklärung eines Mordfalls aber gäbe es nun wirklich geeignetere Zeuginnen als sie. Entsprechendes ringen die Ermittler Berlinger und Rascher um Contenance. Diese Namen sagen Ihnen nichts? Verständlich.

Die spröde Figur der Ellen Berlinger war für einen einmaligen Auftritt in Freiburg ausgelegt, Ostern 2016 war das, der Fall hieß „Fünf Minuten Himmel”. Zwei Jahre später schwebte sie dann nochmal in Mainz ein („Zeit der Frösche”); Hintergrund waren ihr herausforderndes Privatleben (im Film) beziehungsweise der Start der neuen Schwarzwald-Ermittler Tobler und Berg.

Nun also folgt der dritte Fall für die Kommissarin, deren Darstellerin so ziemlich jeder erkennt: Heike Makatsch. Und wie.„Blind Date” beginnt heftig: Nur einige Sekunden ist man mit Rosa Münch unterwegs durchs abendliche Mainz, als ein Mann und eine Frau nur wenige Meter entfernt den Kassierer einer Tankstelle erschießen. Das weckt äußerst unangenehme Erinnerungen an den realen Mord an einem jungen Tankstellen-Kassiererer durch einen Maskengegner in Idar-Oberstein am 18. September. Es wäre nicht zu viel verlangt gewesen, diesen Film erst später zu zeigen, mit größerem zeitlichem Abstand, sodass die zufälligen makabren Parallelen wenigstens etwas verblassen. Genauer gesagt: Es gibt keinen vernünftigen Grund, „Blind Date” genau jetzt auszustrahlen, abgesehen von der Trägheit der Programmplaner. Abgedreht ist der Film seit einem Jahr; dass der Liter Super darin nur 1,21 Euro kostet, lässt ihn ohnehin wirken wie ein Relikt.Unabhängig von diesem üblen Mangel an gesellschaftspolitischer Sensibilität ist diese Krimi-Drama-Tragödie exzellent geraten. Die ungewöhnliche Zeugin hat ihren eigenen Kopf: Kaum hat Rosa auf den Schock ein Bier mit Berlinger getrunken, lehnt sie jeden Polizeischutz unmissverständlich ab. So kommt, was kommen muss: Die Täter machen sie ausfindig…Die Idee (Drehbuch: Wolfgang Stauch) ist klasse, die Umsetzung (Regie: nicht minder. Das Tempo stimmt, die Dialoge sind knackig, die Besetzung fulminant. Henriette Nagel glänzt als junge Frau, deren Eltern sie aus Liebe und Sorge partout nicht erwachsen werden lassen wollen. Jan Bülow ist toll als wohlstandsverwahrloster Hobby-Räuber, bei Anica Happich dürften sich schon zum Abspann die Rollenangebote als Femme fatale nur so stapeln. Und dann ist da ja noch das Ermittler-Duo. Ellen Berlinger ist nur privat Einzelkämpferin, dienstlich steht ihr Martin Rascher zur Seite. Ein hochwillkommenes Wiedersehen mit Sebastian Blomberg, unter anderem bekannt aus „Anatomie” (1999), der Impro-Komödie „Wellness für Paare” (2016) sowie der herrlich bösen „Tatortreiniger”-Folge „Sind Sie sicher?“. Gewöhnungsbedürftig allerdings: Rascher ist vom großen Empathen zum Zyniker mutiert. Das ist mal hochunterhaltsam und mal tieftraurig (die Szene am Kaffeeautomaten!), aber stets faszinierend. Ein sehr gelungenes Stück Film, trotz zweier arg brutaler Eltern-Kind-Szenen. Überhaupt bleiben manche harte Sätze und Entscheidungen hängen. Aber vor allem Berlingers Mantra: „Wir arbeiten hier immer auch mit Hoffnung.” Das haben Kripo-Leute mit Krimi-Kritikern gemeinsam – und natürlich mit dem Publikum. Dieser „Tatort” macht Hoffnung für die Zukunft des Sonntagskrimis. Denn es geht eben doch anders, frischer, mutiger, weniger Schema-F-ig. Doch auch hier wäre es, wie so häufig, problemlos ohne den ganz großen Paukenschlag im Privatleben des Haupt-Ermittlers gegangen. Wenn wir Glück haben, werden die Macher bei Berlingers viertem Fall so selbstbewusst, dem nicht zu viel Gewicht zu geben. Wir werden sehen. „Angeklagt” ist bereits abgedreht.

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