Immer weniger Menschen trinken regelmäßig Alkohol. Das merken auch deutsche Bierbrauer. Wie steht es um die Branche und wie zeitgemäß ist das deutsche Reinheitsgebot noch? Der „Tag des deutschen Bieres“ feiert die reiche Brautradition Deutschlands. Mit über 1.500 Brauereien ist die Bundesrepublik im europäischen Vergleich absoluter Spitzenreiter. Allerdings steht die Branche vor großen Herausforderungen: Der Bierabsatz geht zurück, die Preise steigen und auch der Klimawandel macht den Hopfenbauern zu schaffen. Für Holger Eichele, den Geschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, ist Deutschland noch immer ein einzigartiges Land in der Bierproduktion. Im Gespräch mit t-online erläutert Eichele, wie deutsches Bier international gesehen wird, wodurch man sich gegen andere Konkurrenten abgrenzt und ob die „Bierflation“ beendet ist oder nicht. t-online: Herr Eichele, wie verbringen Sie den Tag des deutschen Bieres? Holger Eichele: Ehrlich gesagt, es ist ein fast normaler Arbeitstag für uns, nur dass das Telefon eben nicht stillsteht – jeder will etwas über Bier wissen. Keine Zeit also für ein gemeinsames Feierabendbier? Nein, leider nicht, aber das holen wir vielleicht am Wochenende nach. Die Preise für Bier sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Wie steht es aktuell um die „Bierflation“? Im Vergleich zu Lebensmitteln insgesamt hat sich Bier in den vergangenen Jahren nur gering verteuert. Bier bleibt als Nationalgetränk erschwinglich, trotz Preiserhöhungen. Wir liegen preislich wirklich im grünen Bereich. Und auch im Vergleich zu anderen EU-Staaten ist Bier in deutschen Kneipen und Supermärkten sehr günstig. Eine Inflation beim Bierpreis sehe ich nicht. Trotzdem: Die Preise müssen mittel- bis langfristig eher noch steigen, um die Zukunft der Brauereien zu sichern. Warum? Die Brauereien sind einem enormen Kostendruck ausgesetzt. Es ist ein energieintensives Handwerk. Durch die gestiegenen Energiekosten, aber auch höhere Kosten für Neuglas und Braumalz sind die Ausgaben der Unternehmen dramatisch gestiegen. Die Brauereien können nur überleben, wenn zumindest ein Teil dieser Kostensteigerungen weitergegeben wird. Es wäre erfreulich, wenn die großen Handelskonzerne das langsam auch verstehen würden. Wie sehen Sie die Zukunft kleiner und mittelständischer Brauereien in Deutschland angesichts der wachsenden Popularität von Craft-Bieren und internationalen Brauereikonzernen? Deutschland ist das Land der Familienbrauereien. Das macht uns einzigartig. In keinem anderen europäischen Land gibt es so viele erfolgreiche Privatbrauereien. Wir haben eine riesige Vielfalt und viele starke lokale und regionale Marken – übrigens auch bei Craftbier. Klar, die Zeiten sind hart, aber die Brauereien halten tapfer durch. Viele Familien brauen in der siebten oder achten Generation – die haben schon ganz andere Zeiten erlebt. Welches Land ist die größte Konkurrenz in Deutschland und international? Auf dem Weltmarkt ist deutsches Bier hoch angesehen. Zum einen durch die hohe Qualität, zum anderen durch die große Vielfalt. Natürlich trägt auch das Reinheitsgebot seinen Teil dazu bei. Es ist ein absolutes Alleinstellungsmerkmal, das bewundert wird und auch mal Neid auf sich zieht. Ich kenne keine Biernation, die Deutschlands Braukultur ernsthaft Konkurrenz machen kann. Die größere Konkurrenz sind da eher Trends auf dem Getränkemarkt, wie Aperol Spritz oder Hugo und natürlich Wein. Früher hatten die Menschen ihr Stammbier, dem sie ein Leben lang treu geblieben sind. Heute wollen Verbraucher mehr Abwechslung und Vielfalt. Daran müssen sich die Brauereien anpassen. Welche neuen Biersorten oder Brautrends sehen Sie momentan in der Branche? Wie reagieren Brauereien auf die sich ändernden Geschmäcker und Vorlieben der Konsumenten? Deutschland ist das Land der Pils-Trinker – Pils nimmt immer noch die Hälfte des Marktes ein. Allerdings können wir beobachten, dass Hell-Biere beliebter werden. Auch alkoholfreies Bier verzeichnet mittlerweile einen Marktanteil von fast zehn Prozent. Diese Biere sind oftmals mineralisch und isotonisch und auch bei Sportlern sehr beliebt. Mit den mehr als 800 alkoholfreien Marken – ebenfalls gebraut nach dem Reinheitsgebot – erreichen wir auch Haushalte, die vielleicht vorher kein Bier im Kühlschrank stehen hatten. Angesichts neuer Sorten und Experimenten mit Geschmackssorten, die im Ausland erfolgreich sind, stellt sich die Frage: Ist das Reinheitsgebot noch zeitgemäß? Natürlich! Das Reinheitsgebot ist das älteste, noch unverändert gültige Verbraucherschutzgesetz der Welt und hat nicht an Aktualität verloren. Es steht für Qualität, Transparenz und natürliche Zutaten. Darauf können wir stolz sein und sollten es bewahren. Das wünschen im Übrigen auch die Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Brauereien profitieren auch von technologischen Neuerungen. Wie viel Handwerk steckt noch hinter dem Brauen? Das Brauen nach dem Reinheitsgebot ist und bleibt ein Handwerk – egal, ob in einer großen oder einer kleinen Brauerei. Es zählt auch nicht umsonst zum Immateriellen Unesco-Kulturerbe. Damit wird die Weitergabe dieses jahrtausendealten Wissens gewürdigt. Wir sehen es als unsere Aufgabe, diese einmalige Handwerkskunst weiterzugeben. Es freut mich zu sehen, wie viele junge Leute aus der ganzen Welt nach Deutschland kommen, um hier Brauwissenschaft zu studieren. Wir können aber auch stolz darauf sein, dass es immer mehr Biersommeliers und Hobbybrauer gibt. Einmal weg von der Tradition und hin zur Zukunft: Aktuell erleben wir einen harten Wetterumschwung. Wie sehr stellt der Klimawandel die Branche vor Herausforderungen? Ein plötzlicher Wechsel von milden Temperaturen zu null Grad und Schneefall ist natürlich schwierig. Hopfen ist eine sensible Pflanze. Allerdings waren die Pflanzen durch die warmen Temperaturen im Februar und März seiner Zeit voraus. Durch den Kälteeinbruch könnte es jetzt zu einer kleinen Wachstumsbremse kommen, die aber im Moment kein Problem darstellt. Im Allgemeinen wird es aber immer anspruchsvoller, Hopfen zu kultivieren. Gerade wegen der klimatischen Schwankungen und der Trockenheit. Dafür müssen wir mehr auf Bewässerungssysteme setzen und umsteuern auf robustere Pflanzen. Da ist es dann an Brauereien, dafür zu sorgen, dass die Biere ihren Charakter behalten, den Verbraucherinnen und Verbraucher lieben. Herr Eichele, vielen Dank für das Gespräch.