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Portugal
:
Die Botschaft der Steinzeitjäger

In einem Tal in Portugal haben Künstler vor Jahrtausenden geheimnisvolle Tierzeichnungen hinterlassen.
Die hier längst ausgestorbenen Arten sollen nun in die Region zurückkehren.

Das Geheimnis des Côa-Tals wird erst im Dunkeln richtig sichtbar. Mit der Taschenlampe führt Ana Berliner ihre Begleiter durch die nächtliche Felslandschaft. Nichts lässt erahnen, dass sich hier in der Finsternis Portugals ältestes Unesco-Welterbe verbirgt. Bis auf das Konzert der Zikaden und das Glucksen des Flusses ist nichts zu hören. „Was diesen Ort so besonders macht, ist das Natur und Kunst sich hier so nahe sind“, sagt die die 47-jährige Biologin.

Berliner klettert über einige Steinbrocken, dann erleuchtet sie mit einem Schwenk der Taschenlampe eine Felsplatte. Aus zunächst unscheinbar wirkenden Einkerbungen und Linien erwacht durch den feinen Schattenwurf urplötzlich ein Wildpferd, das in all seiner Schlichtheit mit bemerkenswerter Eleganz im Stein verewigt wurde. Es ist umgeben von Steinböcken, deren Glieder sich mit dem Pferd überschneiden.

 „Es ist bis heute ein Rätsel, warum die Künstler die Tiere in solcher Dichte festhielten“, sagt Berliner, „Platz wäre ringsum genug gewesen.“ Auf einem anderen Felsen nicht weit von dem Wildpferd wird dies besonders deutlich. Wie in Franz Marcs berühmtem Gemälde „Der Turm der blauen Pferde“ stapeln sich hier ineinander verankerte Tierleiber.



 Diese Zeichnungen gehören zum Unesco Weltkulturerbe.


Diese Zeichnungen gehören zum Unesco Weltkulturerbe.
Foto: Reserva Natural da Faia Brava

„Was sie wohl veranlasst hat, die Tiere gerade hier und immer wieder auf denselben Felsen zu hinterlassen?“, fragt Berliner. Waren es Jagdskizzen, die Wissen für kommende Generationen weitergeben sollten? Enthalten sie geheime Botschaften? Waren die Felsen Kultorte, Kulisse für Fruchtbarkeitsriten und schamanische Ekstase? Keine der von Steinzeitforschern erwogenen Hypothesen kann mit Sicherheit belegt werden. Auch das genaue Alter ist nicht eindeutig feststellbar. Experten gehen jedoch davon aus, dass einige der Gravuren aus der Alt­steinzeit stammen und um die 30.000 Jahre alt sind.

Steht der nächtliche Besucher ihnen plötzlich im Licht der Taschenlampe gegenüber, versetzen sie ihn unmittelbar in eine Zeit, in der Wildpferde in großen Herden die Serra bevölkerten und die Wildnis in Europa noch nicht bis auf einen kümmerlichen Rest ausgerottet war.

Für Ana Berliner waren die Felsbilder ein Ansporn, der Natur etwas zurückzugeben, was der Mensch ihr schon vor Jahrtausenden genommen hat. Als die Biologin 1996 zum ersten Mal ins Côa-Tal kam, entdeckte sie einen Rückzugsort für seltene Tiere, wie er in Portugal einzigartig war. Habichtsadler, Schmutzgeier, Schwarzstorch und Fischotter hatten hier einen fast unberührten Lebensraum gefunden. Gemeinsam mit anderen Biologen und Umweltschützern entstand die Idee, Flächen der stark von Landflucht betroffenen Region aufzukaufen und der Natur zu überlassen.  Heute ist das Faia Brava-Reservat Portugals größtes privat geführtes Schutzgebiet und eine von acht Modellregionen der „Rewilding Europe“-Initiative. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, einige der artenreichsten Naturlandschaften des Kontinents in echte Wildnisgebiete umzuwandeln.

 Wer mit Ana Berliner durch das Schutzgebiet wandert, entdeckt eine einzigartige Natur. Von den Hügeln über dem Oberlauf des Côa blickt man über blühende Wiesen, Macchia-Gestrüpp, Korkeichen und Ölbäume. Unten im Tal bahnt sich das Flüsschen in einer dunklen Schlangenlinie seinen Weg durch die Wildnis.

„Wir hoffen auf Spenden, um noch mehr Land für den Naturschutz aufkaufen zu können“, sagt Ana Berliner. Ihr Traum, das  Côa-Tal in die Wildnis zurückzuverwandeln, wie sie einst vor Jahrtausenden die Steinzeitkünstler sahen, ist inzwischen ein ganzes Stück weiter Wirklichkeit geworden. Heute grasen Herden der alten iberischen Sayaguesa- und Maronesa-Rinder an den Talhängen. Sie kommen ganz ohne den Menschen in der Wildnis aus. Mit ihrem bulligen Körperbau und ihren spitzen, nach vorne strebenden Hörnern ähneln sie verblüffend den ausgestorbenen Auerochsen, die die Künstler einst auf den Felsen im Tal verewigten. Auch etwa fünfzig Wildpferde haben mittlerweile in Faia Brava ein Zuhause gefunden. Die urtümlichen Garranos gehen auf eine autochthone nordportugiesische Rasse zurück. Sie sind in der Lage, auch unter harschen Bedingungen ohne Hilfe des Menschen zu überleben. „Sie wissen auch, sich bei Wolfsangriffen zu verteidigen und ihre Fohlen zu schützen“, sagt Berliner. „Die Herden sorgen dafür, dass das Land nicht verbuscht und offen bleibt – ein natürlicher Lebensraum für viele Arten“, erklärt Berliner.

Inzwischen locken die Tiere immer mehr Touristen ins Faia-Brava-Reservat. Die Naturschützer um Ana Berliner hoffen, dass nach und nach auch durch natürliche Zuwanderung wieder einst hier heimische Arten zurückkehren. Rothirsche, Wölfe und selbst die stark bedrohten Pardelluchse wurden in letzter Zeit im Umkreis des Schutzgebiets nachgewiesen. Mit ihrer Rückkehr würde sich ein alter Kreislauf des Lebens schließen. „Der Mensch hat nur Zukunft, wenn er lernt, dass er Teil der Natur ist“, sagt Berliner. Es klingt wie eine Botschaft, wie sie vielleicht auch die Steinzeit-Künstler des Côa-Tals mit ihren fantastischen Felsbildern der Nachwelt hinterlassen wollten.

Mehr Informationen unter www.rewildingeurope.com

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